Die erste Hälfte der Zwanziger oder the twentieslifecrisis

 
Ankommen und aufbrechen, verlaufen und neu-orientieren, finden und suchen - on repeat.
 
In deinem Ikeabett fallen mit dem Ende der Nacht euphorische „Ich kann alles sein“ - Träume in die Realität der ersten Vorlesung des Tages hinein. Die flüstert eher deprimiert: „Versuch´ doch erst einmal eines zu sein.“
Bei diesen Versuchen bereits gescheiterte, mutige Rückkehrer statten ihr Besuche ab – manche regelmäßig, andere einmalig.
Du bist einer von ihnen.
Ohne Scheitern fehlt die Lücke im Lebenslauf. Das macht später misstrauisch.
Denn Lücken repräsentieren Lebenserfahrung.
Deshalb lautet auch dein Motto: Mut zur Lücke.


Auf der Parkbank sitzend, triffst du dein 10-jähriges Ich.
Es hat dir ein Bild mitgebracht.
Du vor einem Haus mit zwei Kindern und einem Partner.
Das Lächeln so überdimensional, wie die spinnenartigen Hände an den spaghettidünnen Armen. Sieht aus, als wären die glücklich.
Voller Überzeugung hast du damals diese Zukunftsvision mit Buntstiften ins Blatt gekratzt -
so tief, dass es an manchen Stellen gerissen ist.
Mit den Jahren ist der Zweifel durch diese Risse gekrochen und hat nach und nach das ganze Bild in Frage gestellt.
Hätte die Überzeugung damals nicht so fest aufgedrückt.
Diese Zukunft ist jetzt Gegenwart und dennoch ist nichts von deiner Vision Realität.
Du malst ein neues Bild, ganz zaghaft, bloß nicht zu fest aufdrücken.
Als es fertig ist, schaust du auf ein Fragezeichen.



 
In der Uni wird mit viel gedealt: Altklausuren, Krankschreibungen, Mate, Ritalin aber der am meisten begehrte Stoff stellt noch immer eine Marktlücke dar: Sicherheit.
Aus der Zeit in der du als Kind noch unter elterlichem Schutz standest, weißt du wie sie sich anfühlt, die Sicherheit.
Jetzt bist du zwar noch immer Kind deiner Eltern, beschützen aber musst du dich selbst – und das will gelernt sein.
Wer das Leben als Gegner unterschätzt, hat schon verloren.
Was dabei hilft den Kampf erträglicher zu gestalten:
Alkohol. Der lässt dich auf das Air-Bag-Gefühl scheißen - Risikofreude to go.
Die leberfreundlichere Variante: Leidensgenossen – zum Reden, zum Schweigen, zum Lachen, zum Heulen.


Auf Familienfeiern wirst du auch nicht mehr jünger.
Ihre Fragen nach deinem Leben sind spitzer als das Besteck auf den Papierservietten – gar nicht nachhaltig, schießt es dir unpassender- sowie unnötigerweise durch den Kopf.
Kann man die wiederverwenden? Lautet deine Frage auf ihre Fragen.
Politisch engagiert - lautet ihre Diagnose, aber auch da musst du sie wieder enttäuschen.
Du wüsstest es wäre wichtig, gerade heute und dann kommt das ABER hinter dem sich eine ganze Generation versteckt.
Du vermisst deine Großmutter oder eher ihre raumfüllenden Monologe über die Vergangenheit – aufmerksames Zuhören vortäuschen und lächeln, das kannst du.
 
 
Ankommen und aufbrechen, verlaufen und neu-orientieren, finden und suchen - on repeat.

Ob du irgendwann die letzte Lücke schließen kannst, fragst du dich.
Ob du irgendwann mehr als ein Fragezeichen präsentieren kannst, fragst du dich.
Ob du irgendwann die Sicherheit in dir wiedergefunden hast, fragst du dich.
Ob du irgendwann auf Fragen nicht mehr mit Gegenfragen antworten musst, fragst du dich.
Ob du irgendwann endgültig findest, ankommst und auf Play drücken kannst,
fragst du dein 30-jähriges Ich auf der Parkbank.


Kommentare

  1. Ahh, so ein toll geschriebener Post! Der Look steht dir unfassbar gut :)

    Viele liebe Grüße, Julia ☾ | www.serendipityblog.de

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  2. Ich habe tatsächlich gerade Gänsehaut bekommen, so wunderschön geschrieben, so "echt" und so nachfühlbar. Ich glaube, das Leben wird immer eine Reise bleiben, es wird immer irgendwo ein Fragezeichen stehen, immer irgendwo neue Weggabelungen auftreten und ich bin mittlerweile an dem Punkt, dass ich mir denke, zum Glück ist mein Bild, das ich als Kind gezeichnet habe, nicht real geworden, ich will lieber immer wieder ein neues Bild malen. Alles alles Liebe, x S.Mirli
    http://www.mirlime.com

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    1. Liebe Mirli, das klingt, als wärst du im Leben angekommen. Das bewundere ich unglaublich und es freut mich sehr für dich (:! Ankommen ist nämlich gar nicht so einfach finde ich!
      Ganz liebe Grüße
      Anne

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  3. Wirklich toll geschrieben und ich kann genau nachvollziehen, wie du dich manchmal fühlst. Bei mir ist es nicht anders

    Liebe Grüße aus Rodeneck

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    1. Vielen Dank liebe Lena. Manchmal hilft es ja auch ein wenig, wenn man weiß, dass man nicht alleine so fühlt!
      Liebe Grüße Anne

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  4. Liebe Anne, Deine Texte sind einfach so toll - und inspireren mich immer wieder aufs Neue, auch so zu schreiben. Wenn ich es schaffe, wäre ich total gespannt auf Dein Feedback :D
    Liebste Grüsse
    Janine https://www.vivarubia.com/

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    1. Vielen lieben Dank liebe Janine, ich schaue gleich mal bei dir vorbei(:

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  5. Ein wirklich guter Text. Den ich gut nachvollziehen kann. In vielen Dingen hab ich mich auch gefunden....

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  6. Ein wundervoller Look !
    Love it !
    Toller Beitrag !!

    -
    http://bedeutungsvolle-momente.blogspot.com/

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  7. So ein schöner Beitrag! Vor allem dein Outfit ist sehr cool!
    xoxo
    Lara

    www.verylara.com

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  8. An exciting text, i think with a natural ingredient you can do it!

    Best regards

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  9. Ein sehr spannender Beitrag. Werde mir gleich erstmal Sandalen Herren kaufen

    Liebe Grüße

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