Stunde Null
Für alle die sich vor Veränderungen genau so viel in die Hose machen wie ich und ganz besonders für
Ci, Lenchen, Lisa und Lauri
Das Abiturzeugnis in den Händen, das sich mehr wie eine Bescheinigung nun bereit fürs Leben zu sein anfühlte, statt wie eine Widerspieglung schulischer Noten.
Paradox. Denn wenn ich mich in meiner Schulzeit auf eines noch schlechter vorbereitet gefühlt habe als auf die Abiturprüfungen, dann auf das Leben.
Auf das Leben danach - gelebt habe ich schließlich auch schon vorher.
Das Leben danach. Das Ende der Schulzeit als meine persönliche Stunde Null.
Als Zusammenbruch des Alten und der damit einhergehenden Aufgabe etwas vollkommen Neues aufzubauen.
Hört sich dramatisch an. Für viele vielleicht sogar unverständlich übertrieben –
gar absurd.
Aber für mich hat es sich damals so angefühlt und ich weiß, für euch auch.
Überall die unausgesprochenen Erwartungen in der Luft an denen ich bei jedem Gespräch zu ersticken drohte.
Ich
solle die besten aller mir nun offenstehenden Möglichkeiten nutzen.
Aber
für mich haben sich alle „Du darfst jetzt...“ und „Du kannst
jetzt...“ in diesen Momenten immer nur wie „Du musst jetzt....“
angefühlt. Die Freiheit „zu dürfen“ und „zu können“ als Zwang „zu müssen“.
Paradox.
Eigentlich wollte ich gar nicht „dürfen“ und „können“. Eigentlich wollte ich einfach nur mein mir vertrautes Leben weiterführen.
Trotzdem musste ich Entscheidungen treffen und die kommenden Veränderungen akzeptieren.
Und an diesem Punkt habe ich so deutlich wie zuvor noch nie gespürt, dass Veränderungen eine der Konstanten im Leben sind, gegenüber denen man seine vollständige Machtlosigkeit anerkennen muss.
WG statt Jugendzimmer. Uni statt Schule. Neue Bekanntschaften statt langjähriger Freundschaften. Unbekannte Straßen statt seit Kindheit vertrauter Gassen und vor allem ich selbst als erster Ansprechpartner statt meiner Eltern.
Und jede dieser Veränderungen war mit einer Angst besetzt, die neben dem Zusammenschnüren von Bauch und Herz- welches mir das das Gefühl gab innerlich erdrückt werden - auch die Kraft hatte, alle meine Gedanken einzunehmen.
Auf einmal waren da nur noch Ängste und obwohl das wenig scheint, fühlte ich mich unglaublich schwer.
Paradox. Denn eigentlich sollten so viele Möglichkeiten mich doch erfüllen und nicht vollkommene Leere hinterlassen.
Und warum fühlt sich Leere überhaupt so schwer an?
Zu wissen, wer man zukünftig sein will, ohne zu wissen wer man momentan überhaupt ist? Paradox.
War
das jetzt wirklich die richtige Stadt? War das jetzt wirklich der
richtige Studiengang? War das jetzt wirklich die richtige Auswahl
aus allen Möglichkeiten?
All
diese Ängste, all diese Fragen, haben uns in der ersten Zeit nach
unserer persönlichen Stunde Null miteinander verbunden und zu
Bekannten werden lassen.

Die Ängste jedoch haben wir zusammen abgebaut, Stück für Stück – den Knoten um Bauch und Herz immer weiter gelockert und schließlich vollkommen gelöst.
Leben fühlt sich wieder leicht an, statt schwer und der Weg dorthin, hat uns zu Freundinnen werden lassen.
- auch Dank euch.
Dank
unserer vielen Spaziergänge, bei Sonnen- und bei Mondschein -
schnellen geraden Schrittes und weniger schnellen wohl eher
kurvenartigen Schrittes - die die unbekannten Straßen zu vertrauten
Wegen gemacht haben. Dank gemeinsamer Film- und Kochabende, Dank Lachanfällen, Wutausbrüchen und Tränenbächen in der WG, die diese Wohnung und diese Zimmer zu unserem zweiten Zuhause haben werden lassen.
Dank dem Gefühl, dass wenn die Einsamkeit unaushaltbar wird und man sich selber gerade nicht stark genug fühlt das Leben zu bewältigen, da immer jemand ist, der einem zuhört und die eigene Stärke wiederfinden lässt.
Dank unser unzähligen Gespräche, mit und ohne alkoholischem Einfluss, an deren Ende wir immer wieder vorbildlich das Fazit gezogen haben, dass man mit Anfang zwanzig noch nicht erwachsen sein muss, dass es okay ist nicht zu wissen, wo man in zehn Jahren stehen will, dass es auch okay ist, kurzzeitig zu glauben es zu wissen und seinen Glauben daran dann doch wieder zu verlieren.
Es
ist okay.
Ich
fühle mich wieder wohl auf dem Weg, wohin er auch führen mag, bin
angekommen im Moment, und dafür möchte ich euch Danke sagen.
Wunderbar, meine liebe Anne :)
AntwortenLöschenSchritt für Schritt das Leben meistern und erkennen, gemeinsam ist es schöner.
Deine Sanne
Danke, du liebe. Du fehlst! Komm uns mal wieder besuchen, natürlich mit Mini-Sanne!
LöschenWow der Text war so gut geschrieben! Ich habe den Beitrag gern gelesen. Nächstes Jahr habe ich auch mein Abitur fertig und wahrscheinlich werde ich fast in allen Punkten genauso denken wie du. Auf jeden Fall ein schöner Beitrag :)
AntwortenLöschenGanz liebe Grüße
Lara
www.verylara.com
Vielen lieben Dank für die netten Worte. Vielleicht hilft dir dann ja der ein oder andere Gedanke (:
LöschenLiebe Grüße
Anne
Ein toller Text, macht echt Spaß deine Einträge zu lesen
AntwortenLöschenLiebe Grüße aus dem Hotel St. Leonhard